Die Geschichte Heiligendamms – Teil 1: Die Gründungsphase

Es gibt nur wenige Orte, an denen das Sehnsuchtsbild nach dem verlorenen Paradies und dem Arkadien der Künstler Wirklichkeit geworden ist. Heiligendamm gehört dazu. Professor Joachim Skerl schreibt im ersten Teil seiner Serie zur Historie Heiligendamms über das einzigartige Zusammenspiel von Baukunst und Natur in Deutschlands ältestem Seebad.

Es gibt nur wenige Orte, an denen das Sehnsuchtsbild nach dem verlorenen Paradies und dem Arkadien der Künstler Wirklichkeit geworden ist. Heiligendamm gehört dazu. Professor Joachim Skerl schreibt im ersten Teil seiner Serie zur Historie Heiligendamms über das einzigartige Zusammenspiel von Baukunst und Natur in Deutschlands ältestem Seebad.

Als der Engländer Thomas Nugent 1781 und 1782 seine Reisen durch Deutschland unternahm, besuchte er auch den sagenumwobenen Heiligen Damm: “Der Heilige Damm bezauberte uns gänzlich, er hat das Ansehen eines großen, durch Kunst errichteten Deiches, um die See abzuhalten, die somit das ganze Land überschwemmen würde.“ Und geradezu schwärmerisch beschreibt der Weitgereiste: “Hier ist der Ausblick bewunderungswürdig schön. […] Möge es der Sitz meines Greisenalters sein!“

Das Gebäudeensemble in Heiligendamm ist von großen Waldflächen umgeben. Foto: ECH

An diesem bewunderungswürdig schönen Ort sollte zehn Jahre später das erste deutsche Seebad entstehen. An einem Spätsommertag des Jahres 1793 gelang es Prof. Dr. Vogel, seinen Herzog Friedrich Franz I. zu überreden, mit seiner Jagdgesellschaft ein Bad in der Ostsee zu nehmen. Von der wohltuenden Wirkung des Seewassers überzeugt, beschloss der Herzog, auch anderen diesen Genuss zu ermöglichen und das erste Seebad Deutschlands zu gründen, das sich bald zusammen mit seiner Sommerresidenz Doberan zu einem ansehnlichen Ort entwickelte.

Die Gründe dafür liegen sicher zunächst in der Absicht, den Tourismus und die Gesundheit zu fördern. Die Art und Weise aber, wie der Ausbau Heiligendamms erfolgte, legt noch eine andere Vermutung nahe: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren, ausgehend von England, auch auf dem europäischen Festland Landschaftsgärten angelegt worden, in denen ein Stück heile Natur gartengestalterisch bewahrt wurde. Die Idee vom Landschaftsgarten als einem Abbild Arkadiens war um die Jahrhundertwende – ausgehend von Wörlitz – auch in Mecklenburg gegenwärtig. Sie ist auch als Motiv für die Planung Heiligendamms nicht auszuschließen. Nur so lässt sich erklären, wie es zu diesem einzigartigen Zusammenspiel von Baukunst und Natur kommen konnte.

Die drei großen, durch Gebäude akzentuierten Landschaftsräume (die sonnenbeschienene Wiese vor der Perlenkette, der Festplatz vor dem “Kurhaus“ und die Parklandschaft hinter der Burg Hohenzollern) öffnen sich dem Meer. Die Architektur wird durch den Naturraum gleichsam wie ein Juwel gefasst. Die offene Raumstruktur war möglich, weil das Seebad nicht wie anderswo aus einem Fischerdorf hervorging. So zerschnitt und zerschneidet keine Straße den Übergang von der Hotelanlage zum Strand – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Landschaftsgarten und Meer nahtlos ineinander übergehen können. Der Schleswiger Schriftsteller Herrmann Heiberg schreibt über seinen Aufenthalt im Seebad: “Heiligendamm ist ein kleiner Zaubergarten, in dem man vergisst, dass es draußen noch eine geschäftige, atemlose, anspruchserheischende und sorgenvolle Welt gibt.“ So mag dann wohl auch der junge Felix Mendelssohn bei seinen Spaziergängen die Inspiration für den “Sommernachtstraum“ erhalten haben.

Im Sommer 1913 kam Rainer Maria Rilke auf Einladung von Helene von Nostitz nach Heiligendamm. In ihren Erinnerungen “Aus dem alten Europa“ beschreibt sie die Wanderungen mit Rilke durch den Küstenhochwald und über die blühenden Felder im Hinterland. In Rilkes Gedicht “Waldsee“, das den im westlichen Küstenwald gelegenen Spiegelsee beschreibt, fand das unmittelbare Aufeinandertreffen der Urgewalten des Meeres mit der idyllischen Küstenlandschaft seinen poetischen Ausdruck.

Inspirierend: Viele Dichter haben über die Schönheit Heiligendamms gesprochen. Foto: Lithografie von Wilhelm Heurer, um 1860, Archiv Rochow (ECH)

 

„Kleiner Zaubergarten“: Die Wälder an der Ostseeküste bieten schöne Naturerlebnisse. Foto: ECH

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