Die Geschichte Heiligendamms – Teil 2: Das Kurhaus

Wegen der gestiegenen Zahl an Badegästen ließ Friedrich Franz I. in Heiligendamm einst an das ursprüngliche Badehaus das heutige Kurhaus bauen. Architekt Carl Theodor Severin errichtete nicht weniger als einen „Tempel am Meer“.

Wegen der gestiegenen Zahl an Badegästen ließ Friedrich Franz I. in Heiligendamm einst an das ursprüngliche Badehaus das heutige Kurhaus bauen. Architekt Carl Theodor Severin errichtete nicht weniger als einen „Tempel am Meer“.

Wenn ein gebildeter und kunstsinniger Mäzen auf einen genialen Architekten trifft, entsteht große Baukunst. Mit Friedrich Franz I. und seinem Architekten Carl Theodor Severin war eine solche Konstellation gegeben, in deren Folge großartige Bauwerke in Doberan-Heiligendamm und der Umgebung entstanden sind, die zu den eindrucksvollsten Beispielen des Frühklassizismus in Norddeutschland gehören.

Wir kennen von Severin weder den Lebenslauf noch ein zuverlässiges Porträt. Severin wurde am 13. September 1763 in Mengeringshausen im Fürstentum Waldeck (Hessen) geboren und starb am 20. Februar 1836 in Doberan. Auch sein Grab kennen wir nicht. Umso mehr sind aber seine zahlreichen Bauten gegenwärtig: Er hatte Doberan mit Heiligendamm zu einem europäischen Zentrum des Frühklassizismus gemacht.

Beschauliche Badekultur: In der Anfangszeit war das Seebad Heiligendamm noch sehr übersichtlich. Foto: ECH-Archiv

Als Severin 1795 nach Schwerin kam, hatte er eine Architektur-Ausbildung in Berlin erfahren. Während dieser hat er sich intensiv mit der Berliner Bauschule, bestehend aus Carl Gotthard Langhaus, Heinrich Gentz, David Gilly und dessen Sohn Friedrich und wohl auch Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, vertraut gemacht. Die Kieler Doktorandin Judith Groschang weist diesen Zusammenhang in ihrer 1999 veröffentlichten Magisterarbeit über Severin in einer Fülle von Einzeluntersuchungen nach. Geprägt war die Berliner Bauschule vom Palladianismus, einem klassizistisch geprägten Baustil, der die antike Tempelarchitektur mit zeitgenössischen Erfordernissen verband. Das Hauptwerk für diese Stilrichtung sind die von Andrea Palladio 1570 herausgegebenen „Quattro libri dell´architettura“. Diese wurden vorrangig auf Schlossbauten und repräsentative Landhaus-Bauten angewandt.

In Doberan war Severin erstmals beim Bau des Salongebäudes von 1801 bis 1802 tätig. Es folgten das Schauspielhaus und das Sommer-Palais, in denen bereits die Proportionsgesetze der palladianischen Architekturauffassung umgesetzt wurden. Auch der für Severin typische, eingestellte Säulenportikus sowie die durchgehende Attika finden sich hier wieder.

Wahrzeichen: Severin hat beim Bau des Kurhauses die Proportionsgesetze der palladianischen Architekturauffassung beachtet. Foto: ECH

Im Jahre 1814 erhielt er den Auftrag, für Heiligendamm ein Empfangs-, Gesellschafts-, Tanz- und -Speisehaus zu bauen. Das Badehaus, das von Seydewitz 1796 noch im Stil eines spätbarocken Landschlösschens errichtete, reichte nicht mehr aus. Die rasch wachsende Zahl der Badegäste machte die Auslagerung der Versorgungsräume erforderlich. Friedrich Franz I. entschied sich für Severins Vorschlag, das Gebäude rechtwinklig an das bestehende Badehaus anzuschließen. Dieses war auf die Achse des Weges von Doberan ausgerichtet. Deshalb ergab sich die noch heute markante Lage des Kurhauses mit der Säulenfront zum Meer, die nicht parallel zur Küstenlinie verläuft.

Das Motiv der eingestellten Säulenhalle – acht Säulen wie beim Parthenon-Tempel – bestimmt mit dem flachen Dreieckgiebel und den kleinen Seitenrisaliten den Baukörper. Dahinter befindet sich der etwa 25 mal 8 Meter große Speisesaal mit Blick zum Meer. Ursprünglich schloss sich nach Südwesten ein windgeschützter von Bogenarkaden umgebener quadratischer Garten an, der an einen Kreuzgang erinnerte. 1856 wurde dieser durch den Anbau des großen Saals aufgegeben.

Zur Badesaison 1817 war das Gebäude vollendet, Heiligendamm hatte sein Wahrzeichen: den Tempel am Meer. Das Kurhaus war damit von „erhabener Ruhe und gewaltiger Monumentalität“ (Doberaner Stadtarchitekt Hans Thielcke in „Die Bauten des Seebades Doberan – Heiligendamm um 1800 und ihr Baumeister Severin“, 1917). Der inzwischen zum Großherzog ernannte Friedrich Franz I. dankte Severin mit einer Gehaltserhöhung.

Im nächsten Teil dieser Serie geht es um die baukünstlerische und bildkünstlerische Gestaltung dieses „Tempels am Meer“.

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