In Heiligendamm treffen unterschiedliche Kunstrichtungen aufeinander, die zu verschiedenen Bauperioden die Architekten des Ensembles inspiriert haben. Dennoch ergibt sich eine faszinierende Einheit. Prof. Joachim Skerl erklärt, warum das so ist.
Die Geschichte Heiligendamms – Teil 4: Das romantische Heiligendamm

In Heiligendamm treffen unterschiedliche Kunstrichtungen aufeinander, die zu verschiedenen Bauperioden die Architekten des Ensembles inspiriert haben. Dennoch ergibt sich eine faszinierende Einheit. Prof. Joachim Skerl erklärt, warum das so ist.
Die mecklenburgischen Großherzöge und ihre Baumeister haben Heiligendamm – das Arkadien an der Ostsee – geschaffen. Heutige Betrachter bemerken kaum, dass sich in der fast 100-jährigen Entstehungszeit die Stilauffassungen mehrmals wandelten. Eine große übergreifende Idee verbindet unterschiedlichste Bauperioden: die Harmonie von Baukunst und Natur.
Als Friedrich Franz I. 1837 starb, da verschwand mit ihm auch die dem Klassizismus verpflichtete Gründergeneration Heiligendamms. Der Enkel des Großherzogs , Paul Friedrich, übernahm die Regentschaft. Zwar wurde der junge Berliner Architekt Georg Adolf Demmler schon 1823 nach Schwerin geholt, seine eigentliche Entfaltung fand er aber erst unter Paul Friedrich. Dieser ernannte ihn 1837 zum Hofbaumeister und 1841 zum Hofbaurat. Mit Demmler brachte der neue Großherzog auch einen neuen Stil nach Heiligendamm, die Romantik.
Die romantische Architektur zeichnet sich dadurch aus, dass die Gebäude gegenüber dem Klassizismus ihre streng symmetrische Gliederung verlieren. Die Bauteile sind proportional ausgewogen. Stilanleihen werden nicht mehr in der griechisch-römischen, sondern in der gotischen und englisch-ländlichen Architektur gesucht. Die kurze Regentschaft Paul Friedrichs und die wenigen Jahre des Wirkens Demmlers haben ausgereicht, um dem westlichen Teil Heiligendamms seine romantische Gestalt zu geben.
1837 wurden Demmler die Bautätigkeiten in Heiligendamm übertragen. Er schreibt in seiner 2005 erschienenen Autobiographie: „In Doberan am Heiligen Damm erbaute ich zuerst die Familienhäuser A und B (Anm. d. Red.: gemeint sind Haus Krone und Marien-Cottage) und die Sommervilla für die Großherzogin Alexandrine, die Paul Friedrich ihr zum Geschenk machte… Gleich im ersten Jahr wurde auf das einstöckige Badehaus am Heiligen Damm der Etagenbau zu einem Logierhaus ausgeführt.“
Unter Paul Friedrichs Nachfolger, Friedrich Franz II., ließ Demmler anlässlich des 50. Jahrestages des Seebades mit hohem Aufwand den 220 Tonnen schweren Granitstein aus dem Elmenhorster Forst heranschaffen. Eine Aufgabe, die er selbst als die schwierigste seiner Laufbahn beschreibt. Demmler erzählt in seiner Autobiographie weiter: „Im letzten Jahr meiner amtlichen architektonischen Tätigkeit (Anm. d. Red.: Demmler wurde 1851 aus den Diensten des Großherzogs entlassen) entwarf ich auch noch die Baupläne zu dem großen am Heiligen Damm erbauten Logierhaus für Familien, die Burg genannt.“
Demmlers Hinwendung zu mittelalterlicher Architektur war philosophisches Programm während seines Studiums an der Bauakademie Schinkels, aber auch in den von ihm besuchten Vorlesungen Hegels an der Berliner Universität. Hier wurde er mit der Auffassung vom Dualismus der Stile vertraut. Er lernte: Die formale Strenge der Klassik und die malerische Ungebundenheit der Romantik stehen nicht nur einander gegenüber, sondern bedingen sich gegenseitig. Schinkel sieht in der Mitte Europas die Formauffassungen des romantischen Nordens und des klassischen Südens aufeinander treffen. Im Park von Glienicke hat er sie beispielsweise gegenübergestellt, indem er am südlichen Eingang ein klassizistisches Schloss und im nördlichen Eingang ein gotisches Tor und Gärtnerhaus erbaute.

Georg Adolf Demmler auf. Foto: ECH-Archiv Dr. Frank Mohr
In seinem Bauherrn Paul Friedrich fand Demmler einen gleichgesinnten Partner. Durch dessen Heirat mit der preußischen Prinzessin Alexandrine war er mit dem romantischen Kreis um König Friedrich Wilhelm IV., einem Bruder Alexandrines, verbunden. Wobei er jedoch auch schon früher die Ideen der Romantik kennengelernt hatte: Gotthilf Heinrich von Schubert, ein Schüler des romantischen Philosophen Schelling und einer der Wortführer der Dresdner Romantik, war von 1816 bis 1819 sein Hauslehrer.

Georg Adolf Demmler und Paul Friedrich gelingt es, mit den Gebäuden in Heiligendamm ein Zeugnis romantischer Architektur zu schaffen. Es entstand eine Symbiose mit dem Park im westlichen Teil des Ensembles. Klassizismus und Romantik als einander entgegengesetzte Epochen der Kunst streng voneinander zu trennen, ist angesichts der Verschmelzung beider Stile im Landschaftsraum von Heiligendamm kaum möglich.Trotz ihrer unterschiedlichen künstlerischen Sprache wurden von den Erbauern hier viele Verbindungen zwischen Raumkunst und Natur geschaffen. Schelling sagte 1807: „Die Kunst steht als ein tätiges Band zwischen der Seele und der Natur und kann nur in der lebendigen Mitte zwischen beiden erfasst werden.“