Die Geschichte Heiligendamms – Teil 7: Der Beginn der Bäderarchitektur

Die Logierhäuser der Perlenkette boten im 19. Jahrhundert neue Möglichkeiten zur Unterbringung, als diese knapp wurden in Heiligendamm. Prof. Joachim Skerl erklärt im siebten Teil seiner Geschichts-Serie, wie die Bäderarchitektur in Heiligendamm entstand.

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Die Logierhäuser der Perlenkette boten im 19. Jahrhundert neue Möglichkeiten zur Unterbringung, als diese knapp wurden in Heiligendamm. Prof. Joachim Skerl erklärt im siebten Teil seiner Geschichts-Serie, wie die Bäderarchitektur in Heiligendamm entstand.

Blickt man von der See her auf Heiligendamm, wird das Bad wesentlich von der Zeile der Logierhäuser bestimmt. Wegen der hellen, schimmernden Fassaden wird diese Reihung von Strandhäusern östlich der Seebrücke in ihrer Gesamtheit zu Recht als Perlenkette bezeichnet. Eingerahmt vom Dunkel des Buchenwaldes öffnen sich die strahlenden Villen zu einem sanften Bogen dem Meer. In einem Prospekt aus dem Jahre 1925 heißt es: „Mit seinem weißen Kurhaus und seinen leuchtenden Villen vor dem dunklen Buchenwald bietet es dem von See kommenden Besucher ein Bild von unvergesslichem Reiz – Böcklinstimmung – irgendetwas Südliches, Italienisches liegt über Wald und Häusern; man kann es nicht formulieren, aber es ist da. Charme des Südens. Sähe man das gleiche Bild am Mittelmeer, man würde nicht erstaunt sein.“

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Blick von der See: Aufgereiht wie an einer Schnur wirken die Logierhäuser. Es ist augenscheinlich, wie der Begriff Perlenkette entstand. Foto: ECH

Die Villenreihe ist in ihrer Gesamtheit eine architektonische Kostbarkeit und ein frühes Beispiel für die Architektur in den Badeorten an der Ostseeküste. Kennzeichnend für die Bäderarchitektur ist die plastische Aufgliederung der Fassaden. Auskragende Balkone, eingezogene Loggien, Eck-Erker und ebenerdige Terrassen verbinden die Innenräume mit dem Freiraum, der sonnenbeschienenen Wiese am Strand. Die Bäderarchitektur ist ganz auf die spezifischen Bedürfnisse des Feriengastes orientiert. Beispielhaft wurden die Villen Heiligendamms stets den Anforderungen ihrer Nutzer gerecht. Eingänge und Nebenräume befinden sich an der Waldseite, der direkte Blick aufs Meer bleibt ausschließlich dem Wohnen vorbehalten.

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Die Möglichkeiten der Unterbringung im Logierhaus reichten schon früh nicht mehr aus. Foto: Archiv Dr. Mohr/ECH

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der Sommergäste in Heiligendamm nochmals gestiegen. Die Möglichkeiten ihrer Unterbringung im Logierhaus (Haus Mecklenburg) und der Burg waren erschöpft. Am Gedenkstein zur Küste hin bot sich ein günstiger Bauplatz für ein weiteres Hotel. Aus finanziellen Gründen wurden die Pläne jedoch zunächst aufgegeben und stattdessen entlang des Waldsaumes in Richtung Osten mit dem Bau von Logierhäusern begonnen. Sie wurden nacheinander gebaut und die Lasten für die Baumaßnahmen auf mehrere Jahre verteilt. Einzige Vorgabe des Großherzogs aus dem Jahr 1854 war: „Jedes Haus soll vier Familienwohnungen und möglichst auch Einzelwohnungen enthalten, in Errichtung und äußerem Ansehen soll möglichst Verschiedenheit herrschen, jede Wohnung soll Aussicht auf die See und Sitze im Freien haben, um Seeluft zu genießen. So lautet das Programm für diese Bauten.“

Begonnen wurde 1854 mit den „Familienhäusern“ Perle und Greif. Der Weiterbau erfolgte jedoch nicht in einer geschlossenen Reihe. Entsprechend ihrer Fertigstellung wurden die Villen nach dem Alphabet bezeichnet, so dass eine Orientierung schwierig war. Erst Im November 1861 entschloss sich Großherzog Friedrich Franz II., ihnen auf das Meer und die Region bezogene Namen zu geben, die sie mit Unterbrechung heute noch tragen. Namen betonen Individualität – und ein individuelles Aussehen sollten die Häuser erhalten. Der ursprünglich von Wilhelm Stern vorgesehene Gesamtplan – er baute nur die ersten beiden Häuser – wurde deshalb aufgegeben und unterschiedliche Architekten beauftragt. Obwohl für jedes Gebäude die funktionalen Anforderungen und damit die Größe und der Abstand voneinander vorgegeben war, entstand keine monotone Reihung. Durch eine abwechslungsreiche Architektursprache wurde die noch heute zu erlebende Vielfalt erreicht.

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Abschluss: Das Haus Bischofsstab und die Villa Anker bildeten von Anfang an das östliche Ende der Perlenkette. Foto: Archiv Dr. Mohr/ECH

Die Logierhäuser in Heiligendamm entsprechen in ihrem Streben nach Unterschiedlichkeit dem Stilprinzip des Historismus im positiven Sinne. Einheitlichkeit bedeutet nicht Gleichheit, sondern schließt sich durch Vielfalt in einem Ganzen zusammen. Die „Bekleidung“ ist verschiedenen Baustilen entnommen, gliedert und akzentuiert die Fassade und gibt ihr den Maßstab. Mit dem Namen erhält jedes Gebäude sein unverwechselbares „Gesicht“, mit dem es sich in die Perlenkette eingliedert.

Der Wiederaufbau respektive die Sanierung der Häuser stellen besondere Herausforderungen dar. Was vor 150 Jahren den Bedürfnissen nach Luxus entsprach, genügt jetzigen Ansprüchen bei weitem nicht mehr. Anpassungen sind deshalb unvermeidbar und führen auch zu Veränderungen der Gebäudegestalt. Zwischen Nutzern, Planern und Denkmalschützern müssen Kompromisse gefunden werden. Der hohe historische und baukünstlerische Wert des Ensembles erfordert einen besonders sensiblen Umgang mit der Bausubstanz, damit das ursprüngliche Erscheinungsbild wiederhergestellt werden kann und die Logierhäuser wieder zur strahlenden Perlenkette am Meer werden.

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