Mehr als sieben Monate sind seit der Insolvenz des Grand Hotels vergangen. Einige Lokalpolitiker unternehmen seither alles, um einen Neuanfang zu verhindern. Stadtvertreter und Bürger müssen sich fragen: Wollen wir überhaupt ein Grand Hotel in Heiligendamm?
Heiligendamm steht vor historischer Entscheidung

Mehr als sieben Monate sind seit der Insolvenz des Grand Hotels vergangen. Einige Lokalpolitiker unternehmen seither alles, um einen Neuanfang zu verhindern. Stadtvertreter und Bürger müssen sich fragen: Wollen wir überhaupt ein Grand Hotel in Heiligendamm?
Liebe Doberanerinnen und Doberaner,
verehrte Leserinnen und Leser!
Für die politisch Verantwortlichen steht die historische Entscheidung an, ob das einmalige Ensemble Heiligendamm weiter als Grand Hotel betrieben werden kann. Auch wenn ich nicht mehr sein Geschäftsführer bin, so wende ich mich mit diesem offenen Brief an alle, die Verantwortung dafür tragen, und alle, die direkt oder indirekt davon betroffen sind – das sind vor allem Sie, die Bürgerinnen und Bürger Bad Doberans. Denn ich mache mir Sorgen um die Zukunft dieser einmaligen Anlage und des Ortes insgesamt, von der das Wohlergehen von ganz Doberan in hohem Maße abhängt.
Von Anfang an stand für alle, insbesondere Stadt und Land, fest, dass Heiligendamm als touristisches Flaggschiff auf höchstem Niveau betrieben werden muss. “(Es) ist … stets gemeinsames Ziel der Stadt Bad Doberan und des Vorhabenträgers, das Seebad Heiligendamm in enger Kooperation zu einem Seeheilbad und Erholungs- und Freizeitort in hoher Qualität mit einem in sich geschlossenen Hotelbereich exklusiven Charakters zu entwickeln.“ (Grundlagenvertrag zwischen Stadt Bad Doberan und ECH vom 06.10.2007).
Unter dieser Maßgabe wurde das Grand Hotel von der ECH errichtet und von der Hotelgesellschaft als 5-Sterne-Plus-Hotel betrieben. Die Erwartungen der Experten, das Grand Hotel wirtschaftlich zu führen, waren vielversprechend. Die Hotelanlage wurde auf der weltweit wichtigsten Immobilienmesse zum schönsten Hotel der Welt gewählt. Deutschland hat sich für Heiligendamm und damit für Bad Doberan als Austragungsort des G 8-Gipfels entschieden. Darauf können wir alle stolz sein.
Doch die große öffentliche Anerkennung und die Einmaligkeit der Anlage zogen verständlicherweise auch viele Tagestouristen an; dabei kam der kleinste Teil aus Heiligendamm und Doberan. Die Politik wollte, dass die Hotelanalage anfangs komplett offen war. Doch die bis zu 5000 Tagesgäste, die die Anlage an schönen Tagen durchquerten, waren zu viel für die Gäste des Hotels – erst recht, wenn es ausgebucht war. Urlauber wollen Ruhe und Erholung – ob auf dem Campingplatz oder im Luxushotel. Wer sie nicht bekommt, kommt nicht wieder. Das gilt ganz besonders für Gäste eines 5 Sterne-Hotels, die zahlreiche Alternativen haben. Denn nirgendwo sonst führen Wanderwege durch ein solches Hotel.
Quadratur des Kreises
In diesem Konflikt haben die Hotelgäste schon ab 2003 mit den Füßen abgestimmt und sind zu einem so hohen Teil nicht mehr wiedergekommen, so dass das Hotel nicht in schwarze Zahlen kommen konnte. Zudem war die enorme politische Diskussion, die bundesweit in allen Zeitungen unter dem Titel “Klassenkampf am Ostseestrand“ ausgetragen wurde, abschreckend für Hotelgäste, die es gewohnt sind, dass man sie anderswo herzlich willkommen heißt.
Dieser Konflikt ist mit Stadt, Kreis und Land intensiv diskutiert worden. Ich sage klar: Der Konflikt ist verständlich. Jeder Mensch freut sich, durch eine derart schöne Anlage zu gehen. Insofern ist es populär, sich für die Öffentlichkeit einer solchen Anlage einzusetzen. Andererseits ist ebenso verständlich, dass diejenigen, die für den Erfolg und damit für den Erhalt der Arbeitsplätze sorgen müssen, sich für die Bedürfnisse der Hotelgäste einsetzen. Beide Erwartungen gleichzeitig zu erfüllen, ist die “Quadratur des Kreises“, also unmöglich.
2006 hat die Stadtvertretung nach intensiver Beratung mit Hotel, Hotelexperten und Land beschlossen, die durch das Hotel führenden Wege für die Öffentlichkeit zu schließen. Seitdem wird die Schließung durch dezente Hecken und 80 cm niedrige Zäune akzeptiert. Dennoch kann jeder Tagesbesucher alle Gebäude bestaunen und fotografieren. Und natürlich auch nutzen, wenn er dort speist. Heiligendamm ist also für Jedermann erlebbar.
Bis Ende 2011 war es klare Politik von Stadt und Land, Heiligendamm zu unterstützen. Der 2006 diskutierte und ins Auge gefasste Bau eines “Stichweges“ mitten über die Liegewiese des Hotels wurde zurückgestellt. Die Stadt hat darauf verzichtet, wenn Einvernehmen mit der Median Klinik erzielt wird, die ECH eine zweistellige Millionensumme in die Perlenkette investiert und das Hotel zumindest nicht schlechter läuft. Alle Kriterien wurden erfüllt.
Was jetzt: Grand Hotel oder Altersheim?
Zudem haben Stadt und ECH 2011 ein “Rundweg-Vertrag“ abgeschlossen, in dem ausdrücklich vereinbart wurde, dass damit die Wegediskussion endgültig erledigt ist. Große Teile dieses Rundwegs, die die Stadt zahlen müsste, finanziert übrigens die ECH.
Aufgrund der schwierigen Lage des Hotels ist es leider keinem seiner bisher fünf Direktoren gelungen, nachhaltig schwarze Zahlen zu erreichen. Zwar wurden 2010 und 2011 keine Verluste gemacht, allerdings konnten die Zinsen nicht verdient werden. Die Hotelgesellschaft und auch ich persönlich haben unter großem persönlichen und finanziellen Einsatz versucht, das Grand Hotel gegen viele Widerstände über Wasser zu halten.
Mehrere Gutachten von Hotelexperten haben bestätigt, dass ohne neue saisonverlängernde Angebote – etwa weitere Restaurants, Schwimmbad- und Wellness-Bereiche, Bereiche für Gesundheitsanwendungen – das Hotel dauerhaft nicht in schwarze Zahlen zu bringen ist. Da weder die enttäuschten Anleger noch die Banken bereit waren, diese zu finanzieren, und die Bankkredite nicht verlängert wurden, ergab sich für die Hotelgesellschaft die traurige Pflicht zur Insolvenzanmeldung.
Seither liegen die Geschicke in den Händen des Insolvenzverwalters, seines Gläubigerausschusses, der Stadt und des Landes. Der Verwalter hat die Aufgabe, das Hotel bestmöglich zu veräußern, um die Arbeitsplätze und den Status Heiligendamms als touristisches Flaggschiff des Landes zu erhalten.
Entscheidend dafür ist, auf welchem Niveau das Hotel weitergeführt wird: als Grand Hotel oder auf niedrigerem Standard? Als Altersheim oder Klinik? Den Verantwortlichen liegen Gutachten vor, dass ein Betrieb auf 4-Sterne-Niveau die wirtschaftliche Lage des Hauses nochmals deutlich verschlechtern würde, und dass mit einer Öffnung der Wege das Hotel nicht auf Grand Hotel-Niveau zu führen ist. Am 5-Sterne-Standard führt also kein Weg vorbei.
Blockadepolitik schreckt Investoren ab
Ausgerechnet jetzt kommen aus der Lokalpolitik – namentlich vom Bürgerbund – erneut Forderungen, die dem Motto “Freibier für alle“ folgen und auf die Öffnung der durch das Hotel führenden Wege und/oder sogar den Bau des “Stichwegs“ zielen. Die Rechnung dafür zahlen aber nicht die Vertreter des Bürgerbundes. Die Rechnung zahlen die Mitarbeiter des Grand Hotels, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Die öffentliche Hand, deren Steuereinnahmen sinken – allen voran die Doberaner Stadtkasse, deren Kurtaxe und Gewerbesteuern schrumpfen. Die Wohnungsvermieter, Pensionsanbieter, Hotels, Einzelhändler, Gewerbetreibenden und alle, die mit dem Tourismus ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und nicht zuletzt die gesamte Region, die ihr Aushängeschild verliert – den Grund, hier Urlaub zu machen und Geld auszugeben.

Warum also mit der Wiederholung dieses Geburtsfehlers die ohnehin derzeit ungewisse Zukunft des Hotels noch mehr gefährdet werden soll, bleibt das Geheimnis der wenigen, aber lautstarken Anhänger dieser Forderungen. Politik, die verhindert, hat noch nirgendwo Arbeitsplätze geschaffen, sondern eine gute Entwicklung erschwert oder gar verhindert. Die Perlenkette steht hierfür ebenfalls sinnbildlich: Die über Jahre immer wieder befeuerte Blockade – auch hier muss ich die Vertreter des Bürgerbundes nennen – hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass wir mit der Sanierung noch nicht so weit gekommen sind wie erhofft.
Ich weiß, dass viele von Ihnen die Debatten leid sind. Das geht uns genauso. Umso wichtiger ist es jetzt, dass jeder tut, was in seiner Macht steht: Der Insolvenzverwalter und sein Gläubigerausschuss – und damit auch das Land – kämpfen für die Zukunft des Grand Hotels; ich helfe dabei, so gut ich kann. Die ECH und ich wollen mit der Sanierung der Perlenkette vorankommen – eine Aufgabe, die durch die Insolvenz nicht leichter geworden ist. Und die Stadt und ihr Bürgermeister kämpfen hoffentlich auch mit ganzem Einsatz, ihren Beitrag für Heiligendamm zu leisten.
Den Stadtvertretern kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Es ist allein ihre Entscheidung, ob die Wege durch das Hotel wieder geöffnet und/ oder der “Stichweg“ gebaut wird. Damit hätte, da sind sich alle Hotelexperten einig, das Grand Hotel keine Chance. Kommt es jedoch dazu, so wird das Grand Hotel keinen Käufer finden. Denn die Debatten, die seit Jahren um die immergleichen Themen geführt werden, sind überall sattsam bekannt. Und natürlich ist klar, dass der Bau des “Stichweges“ auch den Verkauf der Wohnungen in der Perlenkette immens erschweren würde. All das müssen die Stadtvertreter bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Und mal ehrlich: Welcher Doberaner braucht den “Stichweg“ wirklich?
Liebe Doberanerinnen und Doberaner, mit dem angestrebten Verkauf des Grand Hotels hat der Insolvenzverwalter eine große Herausforderung zu bewältigen. Sie besteht aus vier zentralen Aufgaben:
- Das Grand Hotel hat noch nie nachhaltig Gewinn gemacht.
- Es müssen erhebliche Mittel in neue Angebote investiert werden.
- Hotel und wohl auch ein künftiger Investor sind ständiger politischer Anfeindungen aus Teilen der Stadtvertretung ausgesetzt.
- Und nicht zuletzt die genannte Durchwegung des Hotels | der Bau des “Stichwegs“ und die öffentliche Diskussion darüber führen dazu, dass die Kernzielgruppe des Hotels anderswo Urlaub macht.
Die ersten beiden Punkte sind Sache eines neuen Käufers. Die beiden anderen liegen indes in der Macht der Stadtvertretung. Der kleine, aber wichtige Beitrag Doberans Die Politik ist also gefragt. Will man die bis Ende 2011 verfolgte Linie beibehalten, dem Grand Hotel eine Chance zu geben und damit auch einen Beitrag der Stadt zum Gedeihen des Hotels leisten? Jetzt fällt die historische Entscheidung über den Charakter des Grand Hotels. Wer sollte sich für das Hotel einsetzen, wenn nicht die politisch Verantwortlichen?! Ist ein wichtiges Unternehmen insolvent, so fragt sich doch jede Gemeinde: Wie kann ich helfen? Sie stellt jedenfalls nicht neue Forderungen.
Ich habe neun Jahre lang für das Grand Hotel gekämpft und tue das auch jetzt noch. Ich appelliere an alle Verantwortlichen: Bauen Sie keine Hürden auf, die Investoren abschrecken. Bedenken Sie als Stadt und Stadtvertreter, dass Sie mit dem Verzicht auf potenzielle Ansprüche einen, vielleicht sogar den entscheidenden Beitrag leisten können, um dem Hotel eine neue Chance zu geben. Dies mag auf den ersten Blick unpopulär sein, auf den zweiten Blick ist es jedoch der verantwortungsvolle Weg. Denn er sichert Arbeitsplätze und schafft Wohlstand in Doberan. Noch kann das Grand Hotel als touristisches Flaggschiff des Landes auf hohem Niveau erhalten werden. Wenn aber jetzt die Weichen falsch gestellt werden, dann ist der Zug dafür ein für alle Mal abgefahren. Dann gibt es nur Verlierer: Stadt, Land, Grand Hotel und ECH. Das hat Deutschlands erstes Seebad nicht verdient.
Herzliche Grüße, Ihr
Anno August Jagdfeld
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Herr Jagdfeld hat recht. Die Stadtvertreter sollten sich genau überlegen, was für einen Schaden sie mit einem Stichweg anrichten! Man mag Jagdfeld ja mögen oder nicht, aber hier treiben es die Bürgerbundsleute zu weit. Gute Politik für uns Doberaner sieht anders aus! Ich frage mich aber auch: Wo sind die anderen, von CDU und SPD und Gewerbebund usw.? Von denen hört man gar nichts mehr.
K. Baier
Unsere Politiker müssen endlich aufwachen! Nur von Polemik, wie ihn der Bürgerbund macht, kommt nichts voran in Heiligendamm. Wenn unsere Arbeitsplätze weg sind, weil der Investor vertrieben wurde: was dann? Politiker schaffen keine Jobs, aber kaputtmachen können sie sie, ohne dafür geradestehen zu müssen. Ein Richter wie Herr Lex muss sich ja auch keine Gedanken machen, sein Arbeitsplatz ist sicher:-( Unsere Stadtvertreter sind nur noch peinlich und treiben die letzten „jungen“ aus der Stadt in den Westen. Ich möchte aber hier bleiben!!