Die Geschichte Heiligendamms – Teil 9: Was der Weißen Stadt am Meer erspart blieb

In Heiligendamm waren im 19. Jahrhundert viele Bauwerke geplant, die letztlich nicht zur Ausführung kamen – sehr zum Vorteil für das heutige Erscheinungsbild des ältesten deutschen Seebades. Im neunten Teil seiner Geschichts-Serie erklärt Prof. Joachim Skerl, welche teilweise maßlosen Entwürfe nicht realisiert wurden.

In Heiligendamm waren im 19. Jahrhundert viele Bauwerke geplant, die letztlich nicht zur Ausführung kamen – sehr zum Vorteil für das heutige Erscheinungsbild des ältesten deutschen Seebades. Im neunten Teil seiner Geschichts-Serie erklärt Prof. Joachim Skerl, welche teilweise maßlosen Entwürfe nicht realisiert wurden.

Nicht alle der für Heiligendamm vorgesehen Projekte kamen zur Ausführung. Manche scheiterten an den Kosten, andere an utopischen Vorstellungen. Rückblickend lässt sich sagen: Die letztlich ausgeführten Entwürfe waren die bessere Lösung für das organisch gewachsene Ortsbild.

Nach der Entlassung Georg Adolf Demmlers 1851, der Heiligendamm den romantischen Charakter gab, versuchte sein bisheriger Mitarbeiter Hermann Willebrand sowohl an den Cottages als auch an der Burg Korrekturen vorzunehmen. Die Cottages sollten durch überladenes Neorenaissance-Dekor „aufgewertet“ werden. Die zurückhaltende Eleganz englischer Landhäuser wäre dadurch verloren gegangen.

Für die Burg plante Willebrand eine entstellende Vergrößerung. Der Anbau hätte den Reiz des Baukörpers mit den unterschiedlichen Fassaden aufgehoben. Die Größe des Gebäudes wäre so dominierend im Parkraum geworden, dass sie das harmonische Gleichgewicht zwischen Bebauung und Park gestört hätte. Willebrand berief sich auf seine Mitwirkung an den Planungen Demmlers. Heute ist nicht mehr festzustellen, welchen Anteil er dabei hatte, der ihn zu den Änderungen berechtigte.

Eine Reihe von Studien geht dem Bau der östlichen Logierhäuser, der „Perlenkette“, zwischen 1854 und 1865 voraus. An die Stelle Demmlers traten in Heiligendamm nunmehr Baumeister von regionaler Bedeutung. Vor dem Bau der Logierhäuser war ein großes Hotel geplant. Es sollte auf der Fläche seeseitig unmittelbar östlich neben dem Gedenkstein errichtet werden. Heinrich Thormann aus Wismar schlug 1852 in Anlehnung an die Burg ein gotisierendes Gebäude vor. Beachtenswert ist der Entwurf einer dreiflügeligen Anlage von Rudeloff aus Rostock vom Jahre 1851. Die Seitenflügel orientieren sich mit flachen Giebelfassaden zum Meer.

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Die stärksten Eingriffe in die Struktur Heiligendamms erlaubte sich das Berliner Architekturbüro Kayser und von Großheim – jedoch nur auf dem Papier. Der Entwurf für die Umgestaltung entspricht dem ins Maßlose gesteigerten Repräsentationsbedürfnis der „Gründerjahre“ nach 1871. Foto: ECH, Archiv Dr. Mohr

Ein dritter Vorschlag stammte von Friedrich August Stüler, der in der Nachfolge Schinkels zu einem der bedeutendsten Berliner Architekten wurde und seit 1851 auch Schlossbaumeister in Schwerin war. Der Entwurf nimmt das Winkelmotiv des Kurhausplatzes wieder auf, so dass zwei verzahnte Platzräume entstehen. Der klar gegliederte Grundriss besitzt 50 Gästezimmer und Repräsentationsräume. Noch herrscht die Gangerschließung im Gegensatz zum späteren Lichthof des Grand Hotels vor. Die Architektursprache im Stülerschen „Rundbogenstil“ ist repräsentativ ohne vordergründige Monumentalität. An der Eingangsfassade zum Platz erscheint das Motiv der flankierenden Risalite, das beim späteren Grand Hotel wieder aufgenommen wird.

Aus Kostengründen entschied sich Großherzog Friedrich Franz II. dazu, „eine Reihe kleiner, zur Aufnahme von Familien und einzelner Badegäste während der Saison geeignete Häuser“ zu bauen. Dazu entwarf Wilhelm Stern acht Einzelhäuser, die schon den Charakter der „Perlenkette“ andeuten. Es gelang Stern aber nicht, die beabsichtigten Unterschiede in der Gestaltung der einzelnen Gebäude zu erreichen. So übergab der für die Planung verantwortliche Baurat Johann Gottlieb Bartning die Häuser schließlich an verschiedene Architekten, die dann die – trotz der Schäden – bis heute bewunderte Einheitlichkeit in der Vielfalt schufen.

Die stärksten Eingriffe in die Struktur Heiligendamms erlaubte sich das Berliner Architekturbüro Kayser und von Großheim. Der Entwurf für die Umgestaltung ist 1872 im Auftrag der privaten Betreibergesellschaft erstellt worden. Er entspricht dem ins Maßlose gesteigerten Repräsentationsbedürfnis der „Gründerjahre“ nach 1871.

Wären die Ideen vollständig zur Ausführung gelangt, wäre Heiligendamm vernichtet worden. So blieb es beim Bau des Grand Hotels, dem seeseitigen Anbau des Demmlerschen Logierhauses und der Platzfassade der Villa Großfürstin Marie. Im Vergleich zur maßstablosen Gründerjahrplanung ist die Zurückhaltung und gelungene Einbindung der ausgeführten Bauten in das Ensemble umso bewunderungswürdiger. Planung und Ausführung zeigen, wie sensibel mit dem Bild eines klassizistisch-romantischen Gartenbereiches am Meer umgegangen werden muss – und glücklicherweise auch umgegangen wurde.

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